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Unerlaubte Handlung

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Solidarität / Regress

Rechtsgebiet:
Unerlaubte Handlung
Stichworte:
Unerlaubte Handlung
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Mehrheit von Ersatzpflichtigen

Beispiel 1

Frau A wird auf der Skipiste von Herrn B in grobfahrlässiger Weise angefahren. Als noch unerfahrener Skifahrer war Herr B viel zu schnell unterwegs. Wegen einer mitten auf der Skipiste liegenden Delle stürzt Herr B und wird gegen die am Pistenrand stehende Frau A geschleudert, die durch den heftigen Zusammenprall schwer verletzt wird.  Für den Pistenunterhalt ist das Seilbahnunternehmen C zuständig. Es folgten mehrere Operationen und ein wochenlanger Arbeitsausfall. Frau A ist bei der privaten Versicherungsgesellschaft Y unfallversichert.

Als Haftpflichtige kommen Herr B (Verschuldenshaftung), das Seilbahnunternehmen C (Geschäftsherrenhaftung) oder die Gemeinde D (Werkeigentümer- und Grundeigentümerhaftung) in Frage.

Beispiel 2

Herr A rutscht auf einem zu stark gewichsten Parkettboden im Haus des B aus und bricht sich einen Arm. Als Haftpflichtige können der Hauseigentümer B (Grundeigentümerhaftung), der Reinigungsangestellte C, der den Boden gewichst hat (Verschuldenshaftung) oder dessen Arbeitgeber, die Reinigungsfirma D AG (Geschäftsherrenhaftung) belangt werden.

Eine Schuldnermehrheit ist gegeben, wenn dem Geschädigten mehrere Personen für denselben Schaden einzustehen haben.

Das Aussenverhältnis regelt die Beziehungen zwischen dem Geschädigten und den Haftpflichtigen (Fragestellung: Von wem kann der Geschädigte Schadenersatz verlangen?).

Das Innenverhältnis regelt dagegen das Verhältnis zwischen den Haftpflichtigen untereinander (Fragestellung: Welche Ersatzpflichtige haben den Schaden zu welchen Teilen zu tragen?)

Aussenverhältnis

Haften mehrere Personen aus verschiedenen Rechtsgründen für denselben Schaden, so haften sie solidarisch (OR 51 i. V. m. OR 50). Unter mehreren Schadensverursachern gilt echte Solidarität.  Solidarische Haftung bedeutet, dass jeder Ersatzpflichtige dem Geschädigten gegenüber grundsätzlich für den ganzen Schaden haftet. Der Geschädigte hat somit die freie Wahl, welchen Ersatzpflichtigen er belangen will bzw. ob er alle oder nur einzelne in Anspruch nehmen, von jedem Ersatzpflichtigen den Ersatz des ganzen Schadens oder eines Teils davon fordern will.

Alle Ersatzpflichtigen bleiben solange verpflichtet, bis die ganze Forderung getilgt ist.

Innenverhältnis

Ausgangslage

Im Normalfall wird der Geschädigte nur einen der Ersatzpflichtigen für den ganzen Schaden belangen. Da Versicherer in der Regel finanziell solvent ist und neben des Schadens im Wesentlichen nur der Eintritt des versicherten Ereignisses nachgewiesen werden muss (Versicherungsfall), wendet sich ein versicherter Geschädigte im Aussenverhältnis oftmals direkt an diesen (bei Körperschäden wäre dies die Unfallversicherung).

Regressordnungen von OR 51

Die Regressnorm von OR 51 Abs. 2 stellt für das Innenverhältnis eine Rangordnung auf. In erster Linie hat der aus der Verschuldenshaftung (OR 41) Haftpflichtige für den Schaden einzustehen, in zweiter Linie der aus einem Vertrag Haftende und  in letzter Linie derjenige, der ohne Verschulden und ohne vertragliche Verpflichtung, somit kausal haftet.

Ob wohl ein Versicherer aus dem Versicherungsvertrag nicht „haftet“, sondern eine vertragliche Leistung aus dem Versicherungsvertrag erbringt, wird er nach herrschender Lehre und Rechtsprechung als ein aus Vertrag Haftender im Sinne von OR 51 Abs. 2 betrachtet.

Der Sach- oder Personenversicherer steht somit auf zweiter Stufe zwischen dem Kausalhaftpflichtigen und dem aus Verschulden Haftpflichtigen. Der Versicherer kann somit nur gegen einen aus Verschulden Haftpflichtigen (OR 41), nicht jedoch gegen einen Kausalhaftpflichtigen regressieren.

Für die Schadens- und Sachversicherung enthält VVG 72 jedoch eine spezielle Regress- bzw. Subrogationsregelung.

Weitere Informationen hierzu unter: Haftpflichtversicherung

Anwendung in der Haftpflichtversicherung

Bei der Sachversicherung ist der Versicherte der Geschädigte. Schädiger und Haftpflichtiger ist ein Dritter. In der Haftpflichtversicherung ist hingegen der Haftpflichtige und Schädiger die versicherte Person. Sein Vermögen wird gegen Haftpflichtansprüche Dritter geschützt. Geschädigter ist ein Dritter.

Die Rechtsprechung hat deshalb den Haftpflichtversicherer mit dem versicherten Haftpflichtigen gleichgesetzt. Soweit der Haftpflichtversicherer den Schaden des Geschädigten ersetzt, tritt er ebenfalls vollständig in die Rechtsstellung versicherten Haftpflichtigen ein (BGE 116 II 645). Der versicherte Haftpflichtige selber befindet sich in der Rangordnung von OR 51 Abs. 2.

Da der Haftpflichtversicherer an seine Stelle tritt, kann er in die Haftpflichtansprüche des Versicherungsnehmers eintreten. Haftet er z. B. nur kausal als Geschäftsherr oder Werkeigentümer etc., kann er und damit auch gleichzeitig auch der eine Entschädigung leistende Haftpflichtversicherer gegen einen anderen aus Vertrag oder Verschulden (OR 41) Regress nehmen.

Anwendung in der Sozialversicherung

Mehrere Sozialversicherungsgesetze räumen dem Sozialversicherer gegen haftpflichtige Dritte durch Sondernormen besondere Bestimmungen ein Regressrecht ein (UVG 41 ff., AHVG 48ter. IVG 52 und IVG 67, KVG 79).

Vom Regress nach VVG 72 unterscheiden sich diese Normen dadurch,  dass der Sozialversicherer einen integralen Regress besitzt, sodass er auch gegen Kausalpflichtige, die kein Verschulden an der Schadensverursachung trifft,  vorgehen kann.

Der private Schadens- bzw. Sachversicherer hat demgegenüber kein Regress gegen einen Kausalhaftpflichtigen und besitzt nur ein beschränktes Regressrecht. Der Sozialversicherer steht damit über der von OR 51 Abs. 2 normierten Haftungskaskade.

Rekapitulation: Haftungs- und Regressordnung (OR 50/51)

Haftungskaskade (OR 50)
  1. Ersatzpflichtiger aus Verschuldenshaftung
  2. Ersatzpflichtiger aus Vertrag (inkl. Versicherung!)
  3. Ersatzpflichtiger aus Kausalhaftung
Regressordnung (OR 51)
  1. Der Verschuldenshaftpflichtige kann nur gegen andere Verschuldenshaftpflichtge Regress nehmen
  2. Der aus Vertrag Haftpflichtige kann nur gegen den Verschuldenhaftpflichtigen Regress  nehmen, nicht jedoch auf einen Kausalhaftpflichtigen.
  3. Der Kausalhaftpflichtige kann auf den Verschuldenshaftpflichtigen als auch auf den Vertragshaftpflichtigen Regress nehmen. Sind keine vorhanden, kann er – falls vorhanden – nur auf ebenfalls Kausalhaftpflichtige Rückgriff nehmen.

Zu Beispiel 2

A haftet dem Geschädigten C für CHF 5‘000.– als Kausalhaftpflichtiger.

B haftet dem Geschädigten C für CHF 5‘000.– als Verschuldenshaftpflichtiger.

Der Geschädigte C übt sein Wahlrecht aus und belangt den solventeren A auf Schadenersatz (echte Solidarität) und A zahlt an den Geschädigten C CHF 5‘000.–.

Im Innenverhältnis hat B CHF 5‘000.–, A hingegen nichts zu tragen (Kaskade von OR 51)

Der zahlende A kann im Betrag von CHF 5‘000. – gegen B Regress nehmen, da im Innenverhältnis B als Verschuldenshaftplichtger die vollen CHF 5‘000.­ zu tragen hat.

Folgen des Regresses: Subrogation

Subrogation

= Übergang des Rechte des Geschädigten auf den zahlenden Solidarschuldner, von Gesetzes wegen

Nach OR 149 gehen die Rechte des Geschädigten insoweit auf den zahlenden Solidarschuldner über, als er den Geschädigten befriedigt hat und nach der Schadensverteilung im Innenverhältnis rückgriffsberechtigt ist.

Die Subrogation ist eine Art Legalzession. Bei der Subrogation gehen auch die Nebenrechte des Geschädigten auf den zahlenden Solidarschuldner über, wie bspw. Bürgschaften oder Pfandrechte.

Subrogation des Schadensversicherers gemäss VVG 72

Der Ersatzanspruch, der dem Anspruchsberechtigten gegenüber Dritten aus unerlaubter Handlung zusteht, geht insoweit auf den Versicherer über, als dieser Entschädigung geleistet hat. Es handelt sich nicht um ein selbständiges Regressrecht, sondern um eine Subrogation: die Ansprüche gehen über, wie sie beim Anspruchsberechtigten bestanden haben. Diese Bestimmung ist nur für die Sachversicherung anwendbar.

Die Wirkungen sind umfassend:  Als Folge der Subrogation tritt ein Übergang Ersatzansprüche auf den Versicherer ein, samt allen mit der Forderung akzessorisch verbundenen Nebenrechten, wie Sicherheiten (Bürgschaften, Pfandrechte, etc.) und Vorrechte, aber auch Einreden (bspw. Verjährungseinrede). Der Haftpflichtige wird gegenüber dem Geschädigten in Höhe der Versicherungsleistung befreit. Im Gegenzug verliert  der Geschädigte den Ersatzanspruch gegen den Haftpflichtigen.

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